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Die Fasnet in Scheer

Geschichte
Geschichte

Die Scheerer Fasnet ist Bestandteil der reichen Geschichte unserer Stadt. Sie birgt alt hergebrachtes Brauchtum in sich, das die Originalität und die Lebensart unseres Städtchens in besonderer Weise zum Ausdruck bringt. Seit der Vereinsgründung im Jahre 1959 durch Wunibald Knor,hat die Fasnet in Scheer einen enormen Aufschwung erlebt. Die Bräutelzunft hat es sich zur Aufgabe gemacht, altes Brauchtum zu fördern, zu pflegen und unverfälscht der Nachwelt zu erhalten.

1981 wurde das für den Abbruch bestimmte ehemalige “Polizeihäusle” als Zunftstube umgebaut.

Die Bräutelzunft bedankt sich bei all denjenigen, welche über viele Generationen die Scheerer Fasnet mitgetragen und auch in Zukunft weiter pflegen und unterstützen werden.

Die Fasnacht ist entstanden….

diesen Satz zu Ende führen zu wollen, wäre sicher ein allzu waghalsiges Unternehmen, zumal auch namhafte Volkskundler der Sinndeutung des tollen Treibens ein bisschen ratlos gegenüberstehen. Schon die Erklärung des Wortes „Fastnacht“ führte zu den tollsten Kapriolen der Gehirnverrenkung, auf die hier erst gar nicht näher eingegangen werden soll. Die einleuchtendste und wohl auch zutreffendste Erklärung ist christlichen Ursprungs und bezieht sich lediglich auf den Tag vor dem Beginn der Fastenzeit. Da nach der alten Fastenordnung während der Fastenzeit, mit Ausnahme des Sonntag, täglich nur eine richtige Mahlzeit erlaubt war und man sich dabei noch allen Fleisches warmblütiger Tiere, aller tierischer Fette, der Milch und der Eier enthalten musste und auch Tänze, lärmende Lustbarkeiten etc. verboten waren, bildete die Fastnacht die letzte Gelegenheit sich gehörig satt zu essen und auszutoben. „Carne vale“, d. h. „Fleisch Lebwohl“, heißt es am Niederrhein.

Das alte Fastnachtsbrauchtum hingegen ist viel älter und reicht tief in die vorchristliche Zeit hinein in welcher, wie man als sicher annehmen kann, unsere Vorfahren den Beginn des Frühlings mit den ihrem Götterglauben entsprechenden, besonderen Bräuchen feier­ten. Wenn wir uns in die Lage der damaligen Menschen versetzen und vor Augen halten, wie sehr sie in ihren dürftigen Behausungen auf den Beginn des Frühlings warteten, der ihnen wieder Wärme und die Aussicht auf neue Nahrung versprach, ist verständlich, daß sie in den Naturgewalten Götter, Geister und Dämonen sahen, denen sie hilflos ausgeliefert waren.

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Hinzu kam die Vorstellung, daß mit dem Erwachen der Natur auch die Toten in der Unterwelt aus ihrer Starre erwachen und von Wodan angeführt, als „Wildes Heer“ durch die Lüfte ziehen. So war es denn wohl die Angst, die sie veranlasste sich zu verbergen oder zu versuchen durch Opfer all diese drohenden Mächte zu besänftigen. Da in erster Linie der Mensch von all dem Unheil bedroht war, sollen sie sich als Tiere verkleidet haben. Weil nach ihrem Glauben im „Wilden Heer“ (Wilde Jagd) auch zur Strafe in Tiere verwandelte Menschen mitzogen, habe man, so wird argumentiert, auch versucht, diese selbst in möglichst Furchterregender Form darzustellen. Mitgeführte Lärminstrumente und Waffen (Keulen) sollen neben ihrer abschreckenden Wirkung auch den Zweck gehabt haben sich in Extasse zu bringen und dadurch wirklich als das zu fühlen, was man darzustellen versuchte. Zu diesen Verbergemaßnahmen sollen auch das Schwärzen des Gesichts (vgl. das „Rußeln“ in Scheer) gehö­ren. Heißt es doch in der griechischen Mythologie: „Bestreicht das Gesicht mit Asche, auf diese Weise kann die Seuche euch nicht sehen!“

Die Fastnacht, also der Fastnachtsdienstag, trug im Mittelalter die Bezeichnung „Grüne Vasenaht“. Die Schweizer nannten sie „Junge Vasenaht“, verlegten diesen Termin aber vermutlich in der Reformationszeit wieder auf den Funkensonntag.

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Nach der Reformation waren es besonders der „Dreißigjährige Krieg“ und die Notjahre danach, die sich nachhaltig auf unser Brauchtum auswirkten. Der ursprüngliche Sinn war wohl nur noch im Unterbewusstsein vorhanden und als man wieder daran ging den alten Brauch aufleben zu lassen, geschah dies sicher in erster Linie aus Lust an der Freude. Heidnisches Brauchtum, vermischt mit Fastnachtssitten die schon im 12. Jahrhundert an den Herrschaftssitzen im Schwang waren, wurde fortan bei uns besonders von den Handwerkszünften gepflegt. Dadurch hat sich in Scheer, der Residenzstadt der ehemaligen Grafschaft Friedberg-Scheer, ein Fastnachtsbrauchtum erhalten, das einen interessanten Querschnitt der Entwicklung des fasnachtlichen Treibens im schwäbisch-alemannischen Raum bietet.

Fasnachtsmontag

der Montag nach Estomihi, ist der Haupttag der Scheerer Fasnet.Die bunte fastnachtliche Palette erstreckt sich vom heidnischen Brauchtum über das Leben am Hof bis hin zu Geschehnissen in neuerer Zeit. Mittelpunkt bildet das Bräuteln, das sowohl alte Fruchtbarkeitsriten als auch den Dämonen- und Geisterglauben versinnbildlicht. Es hat seinen Ursprung im alten „Brunnen- und Quellenkult“, nach welchem sich irgendwo im Land der Götter und Feen ein Brunnen in geheimnisvolle Tiefe der mütterlichen Erde senkt, aus dem die jungen Seelen in das Licht des irdischen Daseins steigen. Aus diesem Glauben entstand der Brauchjunge Eheleute in den Brunnen zu tauchen. Das geschah ursprünglich wohl schon am eigentlichen Hochzeitstag. Im ausgehenden 18. Jahrhundert war es in Scheer und Umgebung noch Sitte, daß die Mannsleute am Ende des Jahres bei jedem Neuvermählten einkehrten, dort tanzten und darauf den Ehemann, wenn er sich nicht loskaufte, im Ort herumtrugen und am Ende in den Brunnen tauchten.Das von der Zunft getragene Bräuteln am Fastnachtsmontag entspricht zwar diesem Vorgang, weist aber noch ganz anderer Merkmale auf, die uns bei näherem Hinsehen den geschichtlichen Hintergrund erhellen.Fremd muteten wohl auch die Geiger an, die noch bis in die Mitte unseres Jahrhunderts im Brautzug den Scheerer Fasnetsmarsch“ geigten und auch zum Brauttanz aufspielten.Beides, die dunkle Kleidung des Zunftrats wie auch die Geiger, reicht in die Zeit des Mittelalters zurück: Wenn die Herrschaft, die darum bemüht war das allgemeine Narrentreiben im Griff zu behal­ten, nach der Herrenfastnacht das Fastnachtstreiben für die Bürger freigab, bewegte sich ein merkwürdiger Zug vom Schoß herunter in die Stadt: Voraus der Hofnarr, dahinter die Hofmusikanten gefolgt von einer Reihe von Höflingen in schwarzer Kleidung mit Seiden­hut. Am Ende schritt oder ritt die Herrschaft und ließ sich von den Untertanen umjubeln. Wie höfische Sitten, wurde auch die höfische Kleidung von der Bürgerschaft übernom­men, zuerst von den Zunftmeistern des ehrbaren Handwerks.Die Handwerksgesellen, außer dem Obergesellen, tragen ihre Handwerkerkluft und haben ihren jeweiligen Beruf symbolisierendes Handwerkszeug bei sich. Vorgeschrieben ist, daß sich nur ledige Junggesellen beteiligen. Bis 1979 trugen die Altgesellen, wie heute noch der Obergeselle, den schwarzen Hochzeitsanzug mit Frack, Zylinder und weißen Handschuhen. Vom Obergesellen, der ein rotes Band am Zylinder trägt, unterschieden sie sich durch ein blaues. In derselben Farbe sind auch die Krawatten .Formen und Inhalte höfischer Feste färbten auf den Brauch der Bevölkerung ab.

Wie kommen nun, fragt man sich willkürlich, diese höfischen Bräuche ins Fastnachtsbrauchtum der Bürger? Um diese Frage beantwor­ten zu können, müssen wir uns in die Zeit des 30jährigen Krieges und die nachfolgenden Notjahre versetzen. Truchseß Wilhelm Heinrich (1612-1652) war nach Konstanz geflohen, Schloß und Stadt Scheer, wie die Ortschaften der Grafschaft ausgeplündert, ein Großteil der Bevölkerung umgekommen, ein anderer nach Bayern, Österreich und die Schweiz geflüchtet. Schon 1636 war durch die Pest die Einwohnerzahl in Scheer von 800 auf 300 Seelen gesunken. Nach dem Krieg konnten die wenigen übrig gebliebenen, Hochverschuldeten Bürger kaum den Lebensunterhalt fristen. Bereits 1649 wurden die Ausgewanderten zur Rückkehr aufgerufen, doch die Bürger aufnahme, die vom Stadtammann, Bürgermeister und Rat vorgenommen wurde, erschwerte die Rückkehr, da immer noch die Bestimmungen des „Alten Stadtgebrauchs“ eingehalten werden mussten. Danach hatte jeder anzunehmende Bürger seinen „Freibrief” aufzulegen, als Beweis dafür, daß er von seiner seitherigen Herrschaft freigegeben, also nicht Leibeigener war, und musste ein Vermögen von wenig­stens 57 Gulden und 8 Kreuzern vorweisen. Für die Aufnahme als Neubürger waren 9 Gulden zu bezahlen. Hiervon erhielten der Stadtammann und der Amtsbürgermeister je 1 Gulden, der Rest verblieb der Stadt „zur Anwendung an den gemeinen Nutzen“. Nur wer das Bürgerrecht erlangt hatte, konnte die Heiratsdispens erhalten. Diese war aber an weitere Bedingungen geknüpft.

Der Heiratskandidat musste mindestens 25 Jahre alt sein, als Bürger die ganze Wehr, bestehend aus einem Spieß und einem Gewehr, und 120 Gulden an Geld oder soviel an Hab und Gut besitzen, sei es an Äckern und Wiesen, lebendem und totem Inventar oder in der Werkstatt. Hinzu kam die Bedingung, dass am Hochzeitstag für die Bürgerschaft auf dem Rathaus „zur Schenke“ 1 Eimer Wein und für 3 Schilling Brot aufgestellt werden musste.

Die Erfüllung dieser Bedingungen war jungen Eheleuten nahezu unmöglich, auch den so genannten „Junggesellen“ des Handwerks, die nicht in eine Meisterstelle einheiraten konnten und zum Auswandern gezwungen waren in der Hoffnung in einer anderen Herrschaft die Möglichkeit der Einheirat zu bekommen. Um diesem Notstand Abhilfe zu schaffen und den jungen Gesellen die Heirat im Städtchen zu ermöglichen, sahen es die Handwerksgesellen als ihre Aufgabe an, sie zu unterstützen. Die Zünfte waren  Lebensgemeinschaft, die das kulturelle Leben maßgeblich beeinflusste. An der Spitze der Handwerksgesellen stand der von den Zunftmeistern und dem Rat gewählte Alt- oder Obergeselle. Er musste mindestens 25 Jahre alt, unbescholten und unbestraft sein, eine ordentliche Lehrzeit mitge­macht und die von seiner Zunft vorgeschriebene Wanderzeit zurückgelegt haben. Er war für die heiratslustigen Gesellen der Ansprechpartner, von dem sie sich die erforderliche Unterstützung erhofften und der dann auch mit seinen Mitgesellen die Hochzeit arrangierte.

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Dieser Brauch wurde bald auch ins Scheerer Fastnachtsbrauchtum aufgenommen, vermischt mit der oben genannten Sitte der Fastnachtseröffnung durch die Herrschaft und den bestehenden Frühjahrsbräuchen. Bis auf den heutigen Tag ist es die „Scheerer Zunft“, die sich um dessen Aufrechterhaltung bemüht. Auch diese Tatsache kommt nicht von ungefähr, denn für sämtliche Handwerker der Grafschaft Friedberg-Scheer spielte die Stadt Scheer als Zentralort eine besondere Rolle. Hier war der Sitz der „Großen Zunft“, über welche der Oberzunftmeister die Aufsicht führte. In der Kanzlei wurden die Zunftladen der oberen Herrschaft (Scheer) und der unteren Herrschaft (Dürmentingen), in der St. Nikolaus Kirche sämtliche Zunftfahnen aufbewahrt, im Rathaus die Zunftversammlung abgehalten. Wie die älteste noch vorhandene Handwerksordnung aus dem Jahr 1667 ausweist, war die auf strengen Gesetzen aufgebaute und mit eigener Gerichtsbarkeit versehen. Zur Hauptlad in Scheer zählten 12 Stadtzunftmeister, die ihre Sonderrechte den Landzunftmeistern gegenüber immer wieder geltend machten. Letztere hatten ihre Nebenladen, und zwar: in Hohentengen die „Große Zunft auf dem Land“ und in Herbertingen die „Schwere Zunft“. Sie hielten ihre Zunftversammlungen in einem der beiden Orte oder in einer anderen Gemeinde der Landschaft ab. Im Zuge des im Jahre 1696 mit dem Grafen Maximilian Wunibald geschlossenen Stadt- u n d Landschaftskontraktes, wurden die Statuten der Scheere. 1862 wurden die Zünfte aufgehoben und bestimmt, daß ihr Vermögen zu gewerblichen und anderen gemeinnützigen Zwecken verwendet wird. Obwohl im evangelischen Altwürttembeg schon im Jahre 1567 in der Landesordnung jegliche Vermummung verboten worden war, gelang es in den vorwiegend katholischen Gebieten Neuwürttembergs nur in den Jahren nach 1848 ein solches Verbot durchzusetzen. Grund hierfür war die Befürchtung, daß sich in der Fastnacht revolutionäre Umtriebe ausbreiten könnten. Bald danach wurde der von den Handwerksgesellen getragene Brauch des Bräutelns weitergepflegt.

Mittelpunkt des Geschehens ist das Brautpaar. Beide, Braut und Bräutigam, werden von Neuvermählten Gesellen dargestellt, die Gesichtsmasken tragen. Der Bräutigam in schwarzem Anzug mit dem früher in unserer Gegend gebräuchlichen „Schifferhut“ (Dreispitz) auf dem Kopf, raucht die kurze, hakenförmige Tabakspfeife, der „Galgennagel“ genannt, und trägt einen mit Brezeln (früher zeitweise mit Würsten) behängten Stecken in der Hand. Die bunten Maschen am Hut, das Hochzeitssträußchen am Rockrevers und die Handschuhe unterstreichen die Feierlichkeit des Anlasses. Die „Braut“ trägt ein buntes, frühlings­haftes Kleid, ein mit Blumen umflochtenes Strohhütchen, am Arm einen mit Orangen und Bonbons gefüllten Henkelkorb und in der behandschuhten Hand ihren hellem Schirm.

An heidnisches Brauchtum erinnern die „Schneller“. In der Hand tra­gen sie die „Karpeitsche“. Diese besteht aus einem etwa 1/2 m langen, hölzernen Peitschenstock, an dem die etwa 3 m lange, aus geflochtenen Stricken hergestellte Peitschenschnur befestigt ist. An ihrem Ende ist ein Stück „Treibschnur“ (Schuhbändel) befestigt, die beim Schnellen immer stärker ausfranst und hin und wieder ersetzt werden muß.

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Zum heidnischen Brauchtum zählt auch die Figur des großen Fast­nachtsnarren in seinem mit bunten Tuchflecken besetzten und mit einem Rollengeschell behängten „Häs“. In einer Streitsache vom 14. Juli 1677 ist vom „Zunftnarren“ die Rede, als der Schmied Haberbosch vom Stadtbaumeister vorgehalten bekam: „Du Narr willst gewiss morgen Zunftnarr werden.“

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Über den Kopf gestülpt trägt der große Fastnachtsnarr eine zum „Häs“ passende, bis auf die Schultern reichende Haube mit rot umrandeten Sehschlitzen und schwarzer, heraushängender Zunge. An den Händen sind die schwarzen Handschuhe mit Ruß bedeckt, der früher „zum Zwecke besserer Haftung mit etwas Schweineschmalz angemacht“ wurde. Seiner Hauptaufgabe gemäß ist der große Fastnachtsnarr auch als „Rußler“ bekannt.

Die Figur erinnert an den alten Dämonen- und Geisterglauben, wobei die schwarze Zunge die gefürchtete Pest, und das Rußeln, d. h. das Bestreichen der Gesichter, besonders junger Mädchen, sowohl als Verbergemaßnahme als auch als Fruchtbarkeitszauber angesehen wird. Eine Rarität auf dem weißen, mit bunten Flecken übersäten „Häs“ stellt die Abbildung der „Rußler-Maske“ auf dem Rücken dar. Diese Art der Dekoration, durch welche der Träger hervorgehoben und das Besondere an ihm gekennzeichnet werden soll, ist sicher die älteste Form und reicht wohl in die Zeit zurück bevor im 9. Jahrh. dekorierte Gewänder – eine Mode byzantinischer Herkunft  nach Mittel- und Westeuropa kamen. Das Geschell ist als reines Lärminstrument anzusehen und hat mit der Schellentracht, die im 15. Jahrhundert als Attribut der Narren aufkam, nichts zu tun.

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